ICH BIN SCHULD!
SATIRE -
2700 ZEICHEN -
© BY JENS KLAUSNITZER
Mein Name ist Hase, Karl-Johann Hase, und ich bin schuld! An allem, an
allen und an jedem, montags, dienstags, mittwochs und an allen anderen
Tagen einschließ Sonn- und Feiertagen, gestern, heute und morgen und
überhaupt und sowieso! Wenn meine edle Schwiegermutter ihre unedle
Unterwäsche nicht findet, habe natürlich ich die Wäscheleine
durchgeschnitten, damit die tollen Teile aufs Nachbargrundstück wehen,
wenn die Lieblings-CD unserer Tochter zerkratzt ist, war ich es, der sie
dem miesen Meerschwein zum Fraß vorgeworfen hat, und wenn schließlich
der Rock meiner Frau nicht mehr schließt, habe ich die Sahnetorte beim
Bäcker unseres Misstrauens bestellt! Daran hat man sich gewöhnt und das
findet man nun gut, sogar die örtliche Polizei schaut bei jedem Einbruch
im Umkreis von fünfzig Kilometern in schlimmer Regelmäßigkeit auf ein
Tässchen Kaffee vorbei. Ich bin schuld am schlechten Wetter, den noch
schlechteren Schulnoten, den hohen Krankenkassenbeiträgen und den tiefen
Straßengräben und an der hohen Scheidungsrate und den niedrigen
Geburtenzahlen ohnehin, an langen Straßennamen und kurzen Nächten, am
Stress in der Weihnachts- und in der Urlaubszeit, an Niederlagen und
Unentschieden, an Bronzemedaillen und vierten Plätzen und eben überhaupt
an allen schrecklich schlechten Dingen des täglichen Alltags.
Inzwischen fühle ich mich auch verantwortlich für PISA-Studie,
Einschaltquoten, Lottozahlen, für die Lkw-Maut, Pickel, Wasserrohrbrüche
und die hohen Mietpreise in München. Morgen, übermorgen oder gleich
nachher werde ich Schuldiger schuldbewusst zum Einwohnermeldeamt meiner
gemeinen Gemeinde gehen und mir dort einen neuen Nachnamen holen. Den
Namen „Schuld“! Und dazu vielleicht auch gleich noch einen neuen
Vornamen, einen „Daran“! Dann nämlich darf ich mit erhobenem Kopf „Ich
bin Daran Schuld!“ sagen und das kleine „d“ und das kleine „s“ sogar
großschreiben. Und mir über die neue Bedeutung dieser alten Aussage ein
Loch in den Bauch freuen! Oder sollte ich gar eine ganz andere
Namensänderung vornehmen? Eine, die die ganze Welt verändern wird, wie
die Entdeckung der ersten Beinhärchen an Frauenbeinen oder die Erfindung
der Gummibärchen? Ja, das will ich und ja, das werde ich! Mein neuer
Nachname wird ab sofort oder morgen „Rohölpreis“ sein und ich werde
„Karl-Johann Rohölpreis“ heißen! Dann kann ich täglich in den Zeitungen
„Der Rohölpreis ist schuld!“ über mich lesen und Autofahrer und
Mineralölgesellschaften müssen nicht mehr mit ausgestrecktem Zeigefinger
nach Rotterdam zeigen, sondern können gleich an meine Wohnungstür
klopfen. „Sie sind doch der Rohölpreis? Sie sind schuld!“ Und dann weiß
ich wenigstens, warum ich immer schuld bin ...
TRAUM-FRAU
SATIRE -
2500 ZEICHEN -
© BY JENS KLAUSNITZER
Wo ist sie? Die Sommer-Sonnen-Sand-Strand-Schönheit, die mich durch den
halben Sommer begleitet, mir den Rücken, die Füße und die kahle Stelle
am Hinterkopf eingecremt, mich so vor dem schlimmen Sonnenbrand gerettet
und am Wasser im knapp gelben Bikini alle Blicke, Gedanken und
Sandkörnchen auf sich gezogen hat, die so knackig war, dass einheimische
Obsthändler ihr unknackiges Obst in den Abfalleimer werfen und
stattdessen sie anbieten wollten, und die mit absoluter Sicherheit zur
Miss Meer gewählt worden wäre, wenn eine Miss Meer gewählt worden wäre?
Wegen der sogar dieser kleine kugelrunde und sehr einheimische
Kühlanlagenmonteur ins Schwitzen kam, der seltsame Typ hinter dem
Rezeptionstresen zum ersten Mal in seinem Rezeptionsleben den Kopf hob
und die Kellner im Halbpension-Restaurant frühmorgens freiwillig die
frischen Brötchen vom vierzig Kilometer entfernten Inselbäcker in der
Inselhauptstadt holten oder spätabends ein frisches Wasserschwein
schlachteten, und die sogar von der Putzfrau beim Putzen angestarrt
wurde! Die mir schon im Flieger das Tütchen für Notfälle und das
Päckchen mit dem harten Schwarzbrot reichte und mir in dem grausamen
Luftloch über Marseille von den Bergen mit den rotlackierten Spitzen
erzählte, die immer da war, wenn kein Bier und kein Wasser mehr da war,
die mich am Morgen mit einem langen Küsschen geweckt und mich am Abend
mit einem noch viel längeren Küsschen eingeschläfert hat, die mich
wieder an die Wasseroberfläche holte, als der dicke Wal mit dem
Goldkettchen aus Düsseldorf über mir zusammenbrach und mich tief in die
Tiefe zog, die Hand in Händchen mit mir über die Strandpromenade
schlenderte und schlenkerte und mir sogar im Tabakladen Geld gab, die im
Straßencafé keinen Straßenkaffee, sondern einen Cappuccino schlürfte und
mir dabei bis zum Anschlag tief in sämtliche Augen sah, und mit der ich
in sternenklaren Nächten Sterne, Monde und meine noch frischen Socken
zählen konnte! Wo ist sie? Es darf doch nun wirklich nicht wahr sein,
dass mir mein Leben in grausamer Kooperation mit meinem Schicksal und
meinem zweiten Ich nach dem Ende des Urlaubs diesen Traum genommen und
mir dafür diesen blassen, ständig schimpfenden, einen hässlichen
Hausanzug tragenden, nur Tomatensaft trinkenden, die Kinder gängelnden
und nichts als Plüschtiere küssenden Albtraum geschickt hat, der von
einer Sommer-Sonnen-Sand-Strand-Schönheit ungefähr so weit entfernt ist
wie ich von einer Promotion! Wenn ich nur wüsste, wo ich die rostroten
Fingernägel des Albtraums schon einmal gesehen habe ...
SPAM MAL WIEDER!
SATIRE -
2200 ZEICHEN -
© BY JENS KLAUSNITZER
Ich bekomme Spams! Sie auch, sagen Sie? Ja, aber bei mir liegen die
Spams nicht im Postfach, sondern im Briefkasten! Jetzt sagen Sie nichts
mehr! Alles fing ganz harmlos an, ziemlich harmlos jedenfalls: „Wenn
ich nicht ins Internat darf, dann darfst du auch nicht ins Internet!“,
kreischte unsere Tochter eines schlechten Tages und schon zog sie den
Stecker meines nagelneuen DSL¬Modems vom Rechner ab. Auch das wäre noch
harmlos gewesen, wenn auf der anderen Seite des Kabels eben nicht dieser
mittelgroße graue Kasten gehangen hätte, der die Chance zur Flucht
nutzte und seinen Platz in einem Meter fünfzig Höhe an der Wand hinter
dem Schrank verließ … Ich weiß nicht, was unsere Tochter auf einem
Internat wollte, ich weiß auch nicht, wie die Spam-Versender von meiner
Abkabelung und Abnabelung erfahren haben, auf jeden Fall liefern sie nun
nicht mehr elektronisch, sondern von Hand. „Aha, Sie waren Lebensmittel
für die Familie einkaufen!“, rufen die Nachbarn in völliger Verkennung
der Situation, wenn ich - wie zu jeder vollen Stunde - den Briefkasten
geleert habe und die große gelbe Kasten-Kiste mit Briefen, Katalogen,
Prospekten und Flyern die Treppen hochschleppe. Einmal, ja einmal
wollte ich den Papierfluss umkehren und Kapital aus meiner Lage
schlagen! Ich habe alles sortiert und gebündelt, den Kofferraum, den
Motorraum, den Fußraum und die Rücksitze meines Wagens vollgepackt und
die restlichen sieben Päckchen Altpapier aufs Dach geschnallt. Aber aus
dem Kapital wurde nur ein Kapitälchen, denn beim Altpapierhändler meines
Misstrauens bekam ich für siebentausendeinhundertachtundvierzig
Kilogramm nur dreizehn Cent … So trage ich weiter Tonnen nach oben,
reiße stundenlang überall meinen Namen und meine Adresse heraus,
zerschneide diese persönlichen Angaben mit meiner bösen Bastelschere und
trage Tonnen wieder nach unten zum Papiercontainer. Und sehne mich nach
der Zeit, in der ich Spammy innerhalb einer Sekunde als Spammy erkennen
und innerhalb der nächsten Sekunde löschen konnte. Obwohl, ohne meine
Papierpacken wäre ich nicht der durchtrainierte Papiertiger, der so
glücklich schnurrt, wenn ihm seine Frau über den flachen Bauch
streicht! Also, dann darf ich mal bitte um Nachschub bitten …
HALLO?
SATIRE -
2300 ZEICHEN -
© BY JENS KLAUSNITZER
Hallo? Ist hier jemand oder ist hier niemand? Keiner da, gar keiner? Das
kann doch nicht sein, das darf doch nicht sein, das soll doch nicht
sein! Hallo? Alles hätte ich gedacht, absolut alles, aber das hätte ich
nicht gedacht, wirklich nicht! Wo sind die mächtigen Menschenmassen? Wo
sind die frierenden Frauen, die kreischenden Kinder und die müden
Männer? Wo sind die Opas mit dem Stühlchen und die Omas mit der
Thermos-Teekanne? Bin ich denn echt der einzige Mensch hier, ich
einsamer, enttäuschter Mensch? Wo sind die alle? Wissen Sie es? Nein?
Sie wissen es auch nicht? Schade! Ich will aber nicht der Einzige hier
sein! Neiiin! Ich will Menschen um mich, Frauen, die mit ihren hohen
Absätzen meine niedrigen Füße treffen, Männer, die mir ihre Ellbogen in
den Rücken drücken oder tief in meiner Magengrube versenken, und Kinder,
die mich mit ihren Bobbycars anfahren oder mit den schlimmsten
Klingeltönen quälen. Ich will sie alle! Aber langsam verliere ich die
Hoffnung, dass ich sie sehen werde, die vielen, vielen, vielen Menschen,
und inzwischen friere ich, ich kreische und müde bin ich sowieso! Und
jetzt fehlen mir auch das Stühlchen und die Thermos-Teekanne mit dem
Tee! Fünf Minuten warte ich noch, vielleicht auch zehn, höchstens
fünfzehn, aber bestimmt nicht mehr als zwanzig und auf keinen Fall
fünfundzwanzig! Spätestens nach einer halben Stunde gehe ich dann und
ich werde nie zurückkommen! Niemals! Heute nicht, morgen nicht und
übermorgen schon gar nicht! Und auch nicht nächste Woche oder nächsten
Monat! Das verspreche ich Ihnen! Wenn sich nämlich hier im Internet
keiner und nicht einer am Ticketshop für die Fußball-Weltmeisterschaft
im nächsten Jahr in Deutschland anstellen und Eintrittskarten haben
will, dann will ich mich auch nicht anstellen und Karten haben! Denn
wenn die Karten keiner will, dann stimmt bestimmt irgendwas nicht.
Vielleicht wird nicht Fußball, sondern Handball gespielt, vielleicht
sind nicht zweiundzwanzig, sondern nur zwölf Spieler auf dem Feld,
vielleicht ist der Ball gar nicht rund und vielleicht dauert ein Spiel
auch gar keine neunzig Minuten! Egal, ich gehe jetzt und ich gehe zum
Ticketshop unserer Städtischen Verkehrsbetriebe! Dort stehen Menschen in
der Schlange und dort bin ich nicht allein - dort fühle ich mich
geborgen! Aber wenn die dort nun die Fahrkarten auch verlosen ...?
HOHOSKOP
SATIRE -
© BY JENS KLAUSNITZER
LIEBE & PARTNERSCHAFT Heute wird Sie Ihre große Liebe endlich anrufen –
wenn Sie bei Ihrem lokalen Telekommunikationsunternehmen einen
Telefonanschluss beantragen, im Elektronikfachmarkt ein für längere
Gespräche geeignetes Telefon kaufen, das Anschlusskabel dieses Telefons
anschließen und natürlich Ihrer großen Liebe Ihre Telefonnummer
verraten!
VERWANDTE & FREUNDE Heute wird Sie Ihre Schwiegermutter nicht stören –
wenn Sie Ihrer Schwiegermutter das teuerste Kleid in der teuersten
Boutique der Stadt kaufen, ihr den teuersten Friseur bezahlen und Sie
die kleine Frau außerdem in einem großen Taxi zu einer mindestens
dreihundert Kilometer entfernten Autobahnraststätte bringen lassen, in
der angeblich ein Volksmusik-Konzert stattfindet!
KARRIERE & BERUF Heute werden Sie eine Gehaltserhöhung bekommen – wenn
Sie die Fotos im Schreibtisch Ihres Chefs finden, auf denen dieser Chef
auf seiner weißen Yacht seinen linken Arm um die linke Schulter der
schlanken Schönheit aus der Buchhaltung legt, und wenn Sie diese Fotos
dann beim Gehaltsgespräch Ihrem Chef mit einem unschuldigen Lächeln
zurückgeben!
GESUNDHEIT & WOHLBEFINDEN Heute werden Sie Ihre Kopfschmerzen für eine
gewisse Zeit nicht spüren – wenn Sie sich im Baumarkt einen kleinen
Hammer kaufen, auf der Arbeitsplatte Ihrer Einbauküche einen Platz
räumen, Ihre linke Hand auf diesen Platz legen und mit dem Hammer drei
Mal mit mittlerer Kraft auf Ihre Hand schlagen!
ALLGEMEINES Heute werden Sie in einem Paketauto nach Hause fahren –
wenn Sie sich einen großen Karton besorgen, auf diesen Karton Ihre
Adresse schreiben und in diesen Karton mindestens siebzehn Löcher
stechen, Sie im Beisein eines Freundes in diesen Karton klettern und Ihr
Freund den Karton anschließend in der nächsten Postfiliale als Postpaket
an Sie abschickt!